Der Unternehmer Ferry Porsche

Ferry Porsche verstand es stets, die Zeichen der Zeit richtig zu deuten und Marktverände-rungen zu erkennen. Ende der 50er Jahre bestanden für den 356, der trotz aller “Fitness”- Programme seine Verwandtschaft mit dem VW-Käfer nicht verleugnen konnte, nur noch geringe Zukunftsaussichten. Statt einer Weiterentwicklung des bewährten Modells entschied sich Ferry Porsche für eine Neukonstruktion, die sich am bewährten Porsche-Konzept mit dem luftgekühlten Boxer-Heckmotor orientieren sollte. Keine leichte Aufgabe, denn der 356 war nach nur eineinhalb Jahrzehnten längst zum Klassiker geworden.

Anfang der 60er Jahre waren drei der vier Söhne von Ferry Porsche, der mittlerweile bereits den ersten Enkel in den Armen gehalten hatte, dem väterlichen Vorbild gefolgt und in der Autobranche aktiv. Allen voran Ferdinand Alexander, der als Konstrukteur in der Modell-Abteilung des Unterneh- mens arbeitete. Mit ihm erarbeitete Ferry Porsche die Stilistik des 356-Nachfolgers, der ursprünglich 901 heißen sollte. Ferdinand Alexander Porsche berichtete über die gemeinsame Arbeit: “Als ich damals den 911 konstruiert hatte, stand er von Anfang an hinter mir. Aber nicht, weil ich sein Sohn war, sondern weil er überzeugt war. Er hatte immer ein ausgeprägtes Formgefühl; extreme Farben und Formen mochte er nie.”

Auf der Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt präsentierte Porsche 1963 den neuen Sportwagen. Der 911 unterschied sich in vielen Punkten von seinem Vorgänger, nicht nur durch den drehfreudigen Sechszylinder-Motor. Und Ferry Porsche freute sich, dass er “endlich problemlos ein Golfset unterbringt”. Die Entscheidung für den von seinem ältesten Sohn gestalteten 911 war visionär, unterschied er sich sowohl in seiner Stilistik wie auch technisch grundlegend von allem bisher Dagewesenen. Auch unternehmerisch war die Ein- führung des Typ 911 ein großes Wagnis für Ferry Porsche.

Im Zuge der Produktionsvorberei- tung der neuen Baureihe übernahm Porsche 1964 das Zuliefererunternehmen Karosseriewerk Reutter & Co. GmbH. Dies bedeuteten einen großen Kraftakt für den Sportwagenhersteller, denn die knapp 1.000 Mitarbeiter der Firma Reutter wurden unter Anrechung ihrer Betriebszugehörigkeit komplett in die Porsche KG übernommen.



Ferry Porsche auf dem Hof des Porsche-Werks in Zuffenhausen, 1968

Dass Ferry Porsche das Zukunfts- und Erfolgspotenzial des durch und durch innovativen 911-Konzeptes erkannt hat, ist eines seiner großen Verdienste. Das Erfolgsrezept der Baureihe war die Modellpolitik der beständigen Evolution, die den 911 zum perfekten Sportwagen reifen ließ: “Blicke ich auf den 911 zurück, so stellt dieser Typ zweifellos ein umstrittenes Konzept dar. Die lange, ge- radezu ungewöhnliche Lebensdauer dieses Modells macht mich doch stolz darauf, am Ende mit meiner Meinung vom 911 recht behalten zu haben.”

Auch ungewöhnlichen und riskanten Ideen gab Ferry Porsche immer wieder eine Chance. Mit dem VW-Porsche 914 ging das Unternehmen 1969 eine Kooperation mit Volkswagen ein, um mit einem preisgünstigen Sportwagentyp neue Marktanteile unterhalb des Porsche 911 zu gewinnen. Obwohl auf den Gebieten Design und Image nicht unumstritten, wurde auch der 914 zu einem Erfolg und mit fast 120.000 Exemplaren der erfolgreichste Sport- wagen der frühen siebziger Jahre. Auch Ferry Porsche fuhr einen 914, den er als Geschenk seiner Belegschaft zum 60. Geburtstag erhielt. In dem äußerlich fast unveränderten Sport- wagen arbeitete allerdings der Dreiliter-Achtzylinder des Rennsportwagens Typ 908 in einer für den Alltag gezähmten Version. 260 PS standen im Einzelgutachten des Wagens mit der offiziellen Zulassungsnummer S-R 3000.

Es war kein Geschenk für die Garage: Über 10.000 Kilometer spulte Ferry Porsche mit dem 914/8 ab. Von da ab wurde das individuelle Geburts- tagsauto bei runden Geburtstagen des Porsche-Chefs zur Tradition. Auf die Frage, ob er sich denn selber auch einen Porsche kaufen würde, antwortete Ferry Porsche einem Journalisten: “Nein, ich warte einfach bis ich Geburtstag habe.”

Nicht nur auf technischer Ebene, sondern auch auf sozialem Gebiet wollte Ferry Porsche sein Unternehmen ganz nach vorne bringen. Unternehmer sein und Mensch bleiben war für ihn kein Gegensatz, sondern eine logische Ergänzung, vielleicht sogar Basis allen Erfolgs. Schon 1956 führte er die betriebliche Altersversorgung ein, und eine Porsche-Stiftung half fortan allen Mitarbeitern, die unverschuldet in eine wirtschaftliche Notlage geraten waren. 1960 übernahm das Unternehmen alle Arbeiter vom Stundenlohn in den Monatslohn und stellte sie damit den Angestellten gleich. Auch Leistungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld wurden bei Porsche weit früher (und ohne gesetzliche oder tarifliche Verpflichtung) eingeführt, als es in der Branche üblich war. Ferry Porsche war damit auch ein Pionier auf dem Gebiet der unternehmerischen Sozialleistungen.


Ferry Porsche vor dem 1.000.000. Porsche-Sportwagen, einen Porsche 911 der Baureihe 993. (1996)


Weichenstellung für die Zukunft

Anfang der siebziger Jahre stellte Ferry Porsche noch einmal die langfristigen Weichen für das über zwei Jahrzehnte von ihm geleitete Unternehmen. Nach ausgiebigen Diskussionen um seine Nachfolge in der Porsche-Geschäftsführung folgte 1971 der Beschluss der Familien Porsche und Piëch, zukünftig keine operativen Führungspositionen mehr mit Familienan- gehörigen besetzen zu wollen. Zum Jahresbeginn 1972 vereinbarten die Gesellschafter der “Dr. Ing. h.c. F. Porsche KG”, die Kommanditgesellschaft zum 1. August 1972 in eine Aktien- gesellschaft umzuwandeln.

Auch Ferry Porsche unterwarf sich dem einstimmigen Familien- beschluss und zog sich aus der aktiven Geschäftsführung zurück, um fortan als Vorsitzender des Aufsichtsrates die Geschicke des Unternehmens zu begleiten. Dieses Amt übte er bis ins Jahr 1990 aus, als sein Sohn Ferdinand Alexander den Vorsitz von ihm übernahm. Als Ehrenvorsitzender des Aufsichtsrats sollte Ferry Porsche dann die Entwicklung des Unter- nehmens bis an sein Lebensende aktiv verfolgen.
Sein unternehmerischer und technischer Weitblick beeinflussten das Unternehmen Porsche immer wieder nachhaltig. Gerne ließ er sich von den innovativen Ideen seiner Ingenieure begeistern und überzeugen. Mit Modellen wie dem 924, 944 und 928 verließ Porsche ge- wohnte Fahrwasser – nicht immer zur Freude der “gusseisernen” Kunden.

Zum Unternehmenserfolg trugen aber auch diese Modelle ganz erheblich bei, denn immerhin war in den achtziger Jahren jeder zweite produzierte Porsche ein solcher Frontmotor-Sportwagen. Viel beschäftigte sich Ferry Porsche aber auch mit der Frage nach der Zukunft des Automobils. Seine Einschätzung aus dem Jahr 1979 erscheint heute aktueller denn je: “In der Zukunft kommt es besonders auf den Verbrauch an. Der Verbrauch ist seit jeher abhängig von Ge- wicht und Luftwiderstand. In beiden Punkten ist der Sportwagen im Vorteil.” Wichtig sei, dass “wir an unseren Wagen Dinge tun, die für den Verbrauch ausschlaggebend sind. Da nützen uns Entwicklungen, die wir für den Sport vorangetrieben haben – zum Beispiel der Turbolader. Wir können den Turbolader nicht nur nutzen, um die Leistung zu steigern. Wir können mit ihm auch den Wirkungsgrad des Motors verbessern und kommen dann auf extrem niedrige Verbrauchswerte.”

Im Alter musste Ferry Porsche erleben, wie sein Unternehmen in eine existenzbedrohende Krise geriet. Doch auch als Porsche als Übernahmekandidat gehandelt wurde, betonte er stets den unbedingten Willen zur Selbstständigkeit. Mit dem von Dr. Wendelin Wiedeking verantworteten wirtschaftlichen Turnaround durfte er noch miterleben, wie sein Lebenswerk wieder auf die Erfolgsspur zurückfand. 1996 erlebte er mit der Einführung des Porsche Boxster die Fortführung seiner Vision eines Mittelmotorroadsters. Über die Zukunft seiner Sportwagenidee war ihm nicht bange. “Das letzte Auto, das gebaut werden wird, wird ein Sportwagen sein.” Mit seinem Tod am 27. März 1998 endete noch eine andere Ära – im selben Jahr lief der letzte luftgekühlte 911 vom Band.

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