1948: Der erste Porsche-Sportwagen

“Die Anregung kam”, erzählte Ferry Porsche anlässlich seines 75. Geburtstages über die Anfänge des Porsche 356, “das kann man ruhig zugeben, durch Cisitalia. Diese Firma baute damals einen kleinen Sportwagen mit Fiat-Motor. Da sagte ich mir: Warum sollten wir nicht das Gleiche mit VW-Teilen tun können? Ähnliches hatten wir schon vor dem Krieg mit dem Berlin-Rom-Wagen getan.” Das wirtschaftliche Risiko dieser Unternehmung lässt heute er- staunen: Ganz Europa befand sich im Wiederaufbau und es waren vor allem praktische und preiswerte Fahrzeuge, die ihren Weg auf den Markt fanden. In dieser Situation realisierte Ferry Porsche seinen Traum vom eigenen Sportwagen – und stellte fest, dass andere Auto- mobilliebhaber diesen Traum mit ihm teilten.

Im Frühjahr 1947 formulierte Ferry Porsche seine ersten Überlegungen zum Bau eines auf Teilen des Volkswagen basierenden Sportwagens, der, zunächst als “VW-Sport” bezeichnet, die Konstruktionsnummer 356 erhielt. Der Porsche Junior-Chef hatte die Vision, “einen Sport- wagen zu bauen, wie er mir selbst gefiel”.

Die Ingenieure um Ferry Porsche waren fasziniert von der Sportwagen-Idee und so entstand schon im Februar 1948 ein fahrbereites Fahrgestell, für das ein schnittiger Roadster-Aufbau aus Aluminium angefertigt wurde. Der Vierzylinder-Boxermotor stammte ebenso wie Getriebe, Radaufhängung, Federung und Lenkung aus dem Volkswagen. Der 35 PS starke Mittelmotor-Roadster erreichte bei nur 585 Kilogramm eine Höchstgeschwindigkeit von 135 km/h. Den offiziellen Segen der Behörden erhielt der mit der Fahrgestellnummer 356-001 versehene Mittelmotor-Sportwagen am 8. Juni 1948 durch eine Einzelgenehmigung der Kärntner Landesregierung.

Noch in der zweiten Jahreshälfte 1948 begann in Gmünd die Fertigung der ersten serien- mäßigen Coupés und Cabriolets vom Typ 356/2. Wie der Porsche 356 “Nr. 1” erhielten auch die 356/2 eine von Erwin Komenda, dem Leiter der Porsche-Karosserieentwicklung, gestaltete Aluminiumkarosserie. Doch im Gegensatz zum Mittelmotor-Prototyp “Nr.1” wurde der Boxermotor der Typ 356/2 im Heck positioniert, um hinter den Vordersitzen einen Gepäck- raum zu ermöglichen. In Zürich fand sich mit Rupprecht von Senger ein Investor, der Geld für eine Kleinserie vorschoss und dafür einen Vertrag als Importeur für die Schweiz erhielt. Ein Glücksfall: Über diesen Kontakt erhielt Porsche auch dringend benötigte VW-Teile und Karosseriebleche.

Dass Ferry Porsche neben einem guten technischen Gespür auch unternehmerische Weitsicht besaß, beweist der am 17. September 1948 mit dem Volkswagenwerk-Geschäftsführer Heinrich Nordhoff ausgehandelte Vertrag über die Zulieferung von VW-Teilen sowie die Nutzung des VW-Vertriebsnetzes. Ferry Porsche erreichte, dass VW für jeden gebauten Käfer eine Lizenz- gebühr an Porsche zahlte, zumal dieser vor dem Krieg von Porsche entwickelt worden war. Außerdem wurde mit der “Porsche-Salzburg Ges.m.b.H.” ein zentrales Büro zur Steuerung von Import, Vertrieb und Kundendienst für den Volkswagen in Österreich eingerichtet. Diese Vereinbarungen mit dem großen Volkswagenwerk bedeuteten Sicherheit für das junge Unter- nehmen Porsche – besonders in finanzieller Hinsicht. Die Grundlage für den Ausbau der Porsche KG als Sportwagenhersteller war geschaffen.



Ferry Porsche und Sohn Ferdinand Alexander am Porsche 911

1950: Die Rückkehr nach Stuttgart

Mit zunehmendem Erfolg des Porsche 356 wurde offensichtlich, dass das provisorische Werk in Gmünd nicht ausreicht, um einen Sportwagenbau weiter forcieren zu können. Zu mangelhaft war die technische Ausrüstung der österreichischen Fertigungsstätte und als zu schwierig erwiesen sich die Wirtschaftsbedingungen des Alpenlandes. Dass die Zukunft des Unternehmens letztendlich im Sportwagenbau liegen würde, war zu diesem Zeitpunkt nicht entschieden. Zwar stimmten die ersten Verkaufserfolge des Typ 356/2 optimistisch, doch das Augenmerk des Senior-Chefs Ferdinand Porsche lag vor allem auf den Diesel-Schleppern und Wasserturbinen. Für den traditionellen Bereich der Auftrags-entwicklung erwartete er ein höheres Umsatzvolumen als mit einer eigenen Fahrzeugfertigung. Ferry Porsche hingegen glaubte an den Erfolg seiner Idee und wollte zumindest eine Serie von einigen hundert Fahr- zeugen realisieren. 1949 strebte er daher die Rückkehr des Unternehmens in die Autostadt Stuttgart an.

Da das ehemalige Porsche-Werk in der Zuffenhausener Spitalwaldstraße 2 noch immer von den Amerikanern genutzt wurde, entschied Ferry Porsche, vorläufig ein Büro und eine kleine Versuchswerkstatt in der Stuttgarter Porsche-Villa einzurichten. Die Umzugsvorbereitungen übernahm sein Schulfreund Albert Prinzing, der im November 1949 als Mitgeschäftsführer der Stuttgarter Porsche Konstruktionen GmbH eingesetzt wurde. Bei der in Stuttgart-Zuffen- hausen ansässigen Karosseriewerke Reutter & Co. GmbH mietete die Porsche GmbH zum Jahresende eine 600 Quadratmeter große Halle an und vergab an Reutter einen Fertigungs- auftrag über 500 Karosserien. “Weil Reutter mit Leichtmetall-Schweißen keine Erfahrung hatte, mussten wir das Coupé auf Stahl umstellen”, entschied Ferry Porsche.

Im März 1950 wurde der erste Porsche 356 in Stuttgart gebaut. Während sich Ferry Porsche aus Zeitgrün- den zunehmend aus der Konstruktion zurückziehen musste und Managementaufgaben über- nahm, entwickelte sich der 356 zu einem Bestseller. Die freien Kapazitäten von Reutter waren schnell erschöpft und mehrere andere Karosseriefabriken sprangen ein. “Wir hätten es uns nicht träumen lassen, dass wir schließlich mit dem Typ 356 auf eine Gesamtstückzahl von 78.000 kommen würden”, resümierte Ferry Porsche zufrieden.

Ein wichtiger Erfolgsfaktor für das junge Unternehmen Porsche war die frühe Exportorien- tierung. Bereits 1950 ließ Ferry Porsche die ersten Wagen nach Amerika verschiffen. Auf dem größten und wichtigsten Absatzmarkt der Welt eroberte der Porsche 356 die Herzen der Sportfahrer – und nicht zuletzt auch vieler Hollywoodstars – im Sturm.

Mit Modellen wie dem 356 Speedster traf Ferry Porsche zielsicher den Geschmack der amerikanischen Kunden, an die bereits 1955 die Hälfte der Jahresproduktion verkauft wurde. Neben dem Export war es auch Ferry Porsches Leidenschaft für den Motorsport, die zu einem Katalysator für den Erfolg der Marke wurde. Anstatt Reklame oder Werbung zu betreiben, sollten seine Sportwagen vor den Augen des Publikums durch Rennsiege für sich selbst sprechen: “Die extremen Beanspruchungen bei Rennen lassen bald die schwachen Stellen erkennen und regen damit den Techniker an, neue, bessere Wege zu suchen.”

Der Rennsport bedeutete für Ferry Porsche außerdem ständiger technischer Fortschritt, denn die dort gesammelten Erfahrungen flossen direkt in die Perfektionierung der Serienmodelle ein.

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