Ferry Porsche (Mitte), sein Vater Ferdinand Porsche (rechts) und Erwin Komenda (links) 1948 vor dem 356 Nr. 1 in Gmünd
1944: Porsche in Gmünd
Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges beschäftigten sich die Porsche-Ingenieure vor- wiegend mit der Entwicklung militärischer Fahrzeuge. Neben dem Typ 81 “VW-Kastenwagen” entwickelte das seit Ende 1937 als Porsche KG firmierende Unternehmen den Typ 62 “KdF- Gelände-Fahrzeug”, den als “VW-Kübelwagen” bekannt gewordenen Typ 82 sowie den mit Allradantrieb ausgestatteten Typ 87 und den Typ 166 “VW-Schwimmwagen”. Vom Heeres- waffenamt erhielt das Porsche-Konstruktionsbüro zudem Ende 1939 den Entwicklungsauf- trag für einen mittelschweren Kampfpanzer, dessen Konstruktion jedoch vorzeitig eingestellt wurde, da schwerere Panzertypen benötigt wurden.
Ab 1943 wurde das Leben der Porsche-Mitarbeiter immer stärker durch die Luftangriffe auf Stuttgart geprägt.
Auf Drängen des Rüstungskommandos der Wehrmacht musste die Porsche KG schließlich im Herbst 1944 das Konstruktionsbüro von Stuttgart nach Gmünd in Kärnten auslagern. Auf dem Gelände der “W. Meineke Holzgroßindustrie Berlin-Gmünd” wurden Behelfswerkstätten aufgebaut, während das Materiallager auf dem Areal einer Flieger- schule im nahe gelegenen Zell am See untergebracht wurde. In eine Vielzahl von Arbeits- stätten und Unterkünften aufgesplittert, erhielt das neue Porsche-Werk von den Mitarbeitern den spöttischen Beinamen “Vereinigte Hüttenwerke”.
Nach Kriegsende wurden die Zuffenhausener Werksanlagen der “Dr. Ing. h.c. F. Porsche KG” zunächst vom französischen Militär genutzt. Im August 1945 übernahm eine amerikanische Einheit das zur Reparaturwerkstätte für Lastwagen umfunktionierte Werk. Das Porsche-Werk in Gmünd erhielt unterdessen eine provisorische Bewilligung zur Wiederaufnahme der Arbeit. Den rund 140 Porsche-Mitarbeitern wurde es gestattet, “Entwürfe von Motor-Traktoren, Gas- erzeugern und anderen zivilen Einrichtungen” durchzuführen sowie “Motorfahrzeuge und landwirtschaftliche Maschinen” zu reparieren.
In dieser schwierigen Situation folgte Ferdinand Porsche Mitte November 1945 der Einladung einer französischen Kommission nach Baden- Baden, um eine Fortsetzung des Volkswagen-Projekts in Frankreich zu besprechen. Bevor es jedoch einen Monat darauf bei einem weiteren Treffen zu einem Vertragsabschluss kam, wurde Ferdinand Porsche zusammen mit seinem Sohn Ferry und Schwiegersohn Anton Piëch vom französischen Geheimdienst in Baden-Baden verhaftet. Während Ferry Porsche im März 1946 wieder aus dem Gefängnis frei kam, hielt man den Senior trotz einer schweren Er- krankung weiter fest und brachte ihn nach Paris und Dijon.
“Nach dem Krieg wurde es für mich ernst, denn nun kam es alleine auf meine Initiative an”, erinnerte sich Ferry Porsche. Er nahm neue Projekte in Angriff, die auf die veränderten Ver- hältnisse zugeschnitten waren: Man benutzte die Werkzeugmaschinen in Gmünd dazu, Zube- hörteile für Traktoren, Handkarren oder Seilwinden zu bauen. Das Ziel war es aber, wieder Autos zu konstruieren.
Auf Vermittlung seiner Geschäftsfreunde Karl Abarth und Rudolf Hruska unterzeichnete Ferry Porsche am 15. Dezember 1946 einen Vertrag mit dem Turiner Indu- striellen Piero Dusio über umfangreiche Entwicklungsaufträge für dessen Firma Cisitalia. Neben einem kleinen Traktor und einer Wasserturbine begann die Gmünder Porsche KG mit der Auftragskonstruktion eines Typ 360 Grand-Prix-Rennwagens sowie des zweisitzigen Typ 370 Mittelmotor-Sportwagens.
“Keine Schraube hätte ich anders gemacht”
Unter Hochdruck arbeiten die Konstrukteure der Gmünder Porsche KG am Grand-Prix-Rennwagen Typ 360. Das erstmals komplett unter der Regie von Ferry Porsche entwickelte Fahr- zeug war seiner Zeit weit voraus: Als Antrieb sahen die Porsche-Ingenieure einen 1,5-Liter- Zwölfzylindermotor mit Kompressoraufladung vor, die Kraftübertragung erfolgte über einen zuschaltbaren Vierrad-Antrieb.
Obwohl der Auftrag aufgrund von Kapitalmangel des italieni- schen Auftraggebers nicht über ein Versuchsstadium hinaus geführt werden konnte, war das Projekt von entscheidender Bedeutung. Durch das Honorar konnte Ferry Porsche eine Kaution für seinen inhaftierten Vater in Höhe von einer Million französischen Franc aufbringen, der daraufhin am 1. August 1947 entlassen wurde. Die in Frankreich wegen angeblicher Kriegsvergehen eingeleitete Untersuchung gegen Professor Porsche gelangte nicht zur formellen Anklage-Erhebung und wurde wenig später endgültig eingestellt.
Als Ferdinand Porsche wenig später in Gmünd die Zeichnungen des Typ 360 betrachtete, gab er der Arbeit seines Sohnes sein bestmögliches Urteil: “Keine Schraube hätte ich anders gemacht.”
weiter (1948- 1955)