Ferry Porsche mit einem Porsche Typ 356 B Coupé
1934: Das Volkswagen-Projekt
Der legendäre 16-Zylinder-Rennwagen war nur der Auftakt zu einem weiteren Erfolg im Jahr 1934: dem Volkswagen. Am 17. Januar präsentierte Ferdinand Porsche ein “Exposé betreffend den Bau eines deutschen Volkswagens” in dem er sein Konzept für einen robusten und preis- günstigen Kompaktwagen vorstellte. Aber der Weg zum Entwicklungsauftrag war mühevoll, denn das kleine Konstruktionsbüro Porsche bewarb sich um einen Auftrag, den die etablier- ten deutschen Hersteller als potenzielle Konkurrenz ablehnten.
Auf politischen Druck schloss der Reichsverband der Automobilindustrie (RDA) am 22. Juli 1934 mit Porsche einen Vertrag über den Bau eines Volkswagen-Prototypens ab. Zwei Bedingungen machten diese Aufgabe besonders problematisch: Der anvisierte Kaufpreis von weniger als 1.000 Reichsmark und der Termin für die Fertigstellung des Prototyps in nur zehn Monaten. Ferry Porsche stufte später die Entwicklung des Auto Union Rennwagens im Vergleich zum Volkswagen als “Kinderspiel” ein.
Denn beim Volkswagen mussten die Ingenieure nicht nur konstruieren, sondern von Anfang an auch kalkulieren. Es galt einen Endpreis von 990 Mark einzuhalten, zu dem der Volkswagen verkauft werden sollte. So musste zum Beispiel auf eine hydraulische Bremse verzichtet werden, da Lizenzgebühren für den Patentinhaber Lockheed angefallen wären. “Das Weglassen war das Entscheidende. Wir sind ganz systematisch vorgegangen – der Rad- stand ergab sich aus dem Raum, den vier Erwachsene mit akzeptablem Platzangebot be- nötigten. Die Spurweite wurde so gewählt, dass der Wagen auch auf Feldwegen und durch schmale Dorfdurchfahrten kommen konnte.”
Die Zeit drängte, und auch die knappen finanziellen Mittel wirkten nicht projektfördernd, denn der Entwicklungsvorschuss von 20.000 Reichsmark monatlich erwies sich schnell als viel zu niedrig. Die Konstrukteure waren gezwungen, mit Bau und Montage der ersten Versuchs- wagen in der Garage der Porsche-Villa in Stuttgart zu beginnen. Platz war Mangelware, zumal der Maschinenpark das Raumangebot in Ferry Porsches Privatwerkstatt noch zusätzlich strapazierte. Zu Bohr- und Fräsmaschine kamen noch zwei Drehbänke und die zwölfköpfige Entwicklungsmannschaft. “Fragen Sie mich nicht, wie wir es machten”, erinnerte er sich, “aber die ersten drei Prototypen, VW Serie 3 genannt, wurden dort gebaut.” Die Entwicklung des Volkswagen dauerte unterdessen länger als geplant. Fast genau ein Jahr nach dem offiziellen Entwicklungsauftrag war der erste Volkswagen, der V1 (V = Versuchswagen), fahrfertig. Am 3. Juli 1935 stellte Ferdinand Porsche die Limousine einer Kommission des RDA vor. Der zweite Versuchswagen, ein Cabriolet mit dem Namen V2, trat am 22. Dezember zur Jung- fernfahrt an. Zwei Monate später, am 24. Februar 1936, feierten die beiden ersten Volkswagen offiziell Weltpremiere in Berlin.
Im Umfeld der hochkarätigen Porsche-Ingenieure hatte Ferry Porsche viel gelernt und sich vom Praktikanten zum anerkannten Junior-Chef entwickelt. Ferdinand Porsche förderte und forderte den Sohn, als er ihm 1935 die Leitung der Fahrerprobung des Volkswagens über- trug. Bis zum Herbst 1936 entstanden die ersten V3-Prototypen, mit denen eine systema- tische Fahrerprobung durchgeführt wurde. Als Versuchsleiter übernahm Ferry Porsche die Aufgabe, bis zum Jahresende 50.000 Kilometer Testfahrt zurückzulegen.
Im Endspurt auch mit Sonntagsschichten gelang es dem Versuchsteam, alle drei Autos bis zum 22. Dezember 1936 über die gewünschte Distanz zu bringen. Für Ferry Porsche war dieser erste Test nicht nur eine technische, sondern auch eine politische Aufgabe. Zwar war er Versuchsleiter des Hauses Porsche, aber der Reichsverband der Automobilindustrie hatte Mitarbeiter zur kriti- schen Überwachung der Versuche in das Team geschickt. Bald gab es unterschiedliche Auf- fassungen über die Testergebnisse. Doch am Ende fiel der einhundert Seiten starke Bericht des RDA positiv aus: “Das Fahrzeug hat Eigenschaften gezeigt, die eine Weiterentwicklung empfehlenswert erscheinen lassen.”
Entgegen der ersten Überlegung, den Volkswagen von den deutschen Automobilherstellern gemeinsam bauen zu lassen, fiel am 4. Juli 1936 die Entscheidung für den Bau des Volks- wagenwerks. Am 28. Mai 1937 formierte sich die “Gesellschaft zur Vorbereitung des Deutschen Volkswagens mbH”, kurz Gezuvor. Als einer der drei Geschäftsführer erhielt Ferdinand Porsche den offiziellen Auftrag für Technik und Planung der zukünftigen Produktionsstätte. Um sich einen Überblick über den Stand der Massen-Produktionsverfahren zu verschaffen, besuchten Ferdinand und Ferry Porsche im Juni 1937 die Vereinigten Staaten von Amerika. In Detroit studierten sie modernste Herstellungsverfahren und versuchten, Fachleute aus der amerika- nischen Industrie als Ratgeber zu gewinnen.
weiter (1938 - 1947)