1931: Das Konstruktionsbüro Porsche

Am 25. April 1931 wurde die “Dr. Ing. h.c. F. Porsche GmbH – Konstruktion und Beratung für Motoren- und Fahrzeugbau” ins Stuttgarter Handelsregister eingetragen. Das Arbeitsspektrum des zu Beginn zwölfköpfigen Teams um Ferdinand Porsche umfasste die gesamte Bandbreite der Kraftfahrzeugtechnik. Bereits im ersten Jahr entwickelte Porsche für den Chemnitzer Automobilhersteller Wanderer eine neue Mittelklasselimousine. Es folgten eine Schwingachse für die Horch-Werke Zwickau und ein im Auftrag der Zittauer Phänomen-Werke konstruierter, luftgekühlter Fünfzylinder-Sternmotor, der für den Antrieb von Lastwagen vorgesehen war.

Zu einem Meilenstein wurde zudem die am 10. August 1931 zum Patent angemeldete Dreh- stabfederung, die über viele Jahrzehnte im internationalen Automobilbau zum Einsatz kam. Als jüngster Mitarbeiter des Konstruktionsbüros absolvierte Ferry Porsche zunächst eine Lehrzeit in den Bereichen Konstruktion und Versuch. Sein Lehrer war der Diplom-Ingenieur Walter Boxan, der ihm die theoretischen und rechnerischen Grundlagen der Automobiltechnik vermittelte. Schon bald erledigte der 21jährige eigene Aufgaben, wie die Verbesserung der Lenkung für den Wanderer Zweiliter-Wagen. Ein Lehrstück, das sich als unerwartet ergiebig erwies, denn die Lenkung wurde weiterentwickelt und später auch für den Auto-Union-Renn- wagen ebenso wie für den Volkswagen genutzt. Von Beginn an war Ferry Porsche in alle Projekte und Auftragsentwicklungen des Konstruktionsbüros einbezogen. Seine Aufgaben wurden dabei immer verantwortungsvoller, so dass er ab 1932 die Koordination der Kon- strukteure leitete, die Versuche überwachte und zusammen mit dem Vater die Verbindungen zu den Auftraggebern pflegte.

Im Frühjahr 1933 erhielt das Konstruktionsbüro Porsche von der sächsischen Auto Union den Auftrag, nach den Regeln der neuen 750-kg-Rennformel einen 16-Zylinder-Rennwagen zu entwickeln. Unmittelbar nach Vertragsabschluss begann die Porsche-Mannschaft unter der Leitung von Oberingenieur Karl Rabe die Arbeit am als Mittelmotor-Fahrzeug ausgelegten Auto Union P-Rennwagen (P für Porsche). Ende 1933 lief bereits der erste Motor auf dem Prüfstand – und bereitete erst einmal Probleme. Eines davon war die Kurbelwelle, deren vorderes Ende immer blau anlief. Ferry Porsche tippte auf die unterschiedliche Wärmeaus- dehnung von Stahlkurbelwelle und Elektron-Motorgehäuse und infolgedessen auf ein zu geringes Längsspiel. “Die Ingenieure hörten mich höflich an, waren aber nicht überzeugt, dass ich recht haben könnte”, ärgerte sich Ferry Porsche. “Ohne weitere Diskussion führte ich einen eigenen Test durch, nahm die Kurbelwelle und das Kurbelgehäuse und ging damit in die Härterei, wo entsprechende Öfen zur Erwärmung der beiden Teile zur Verfügung standen.”

Die anschließenden Messungen bestätigten seine Theorie, und von nun an wurde mehr Endspiel eingeplant. Anfang 1934 fanden die ersten Versuchsfahrten mit dem Grand- Prix-Wagen statt, bei denen Ferry Porsche sein fahrerisches Talent so eindrucksvoll unter Beweis stellte, dass der Vater Ferdinand künftige rennsportliche Ambitionen seines Sohnes befürchtete.

Mit dem Hinweis auf eine vielversprechende Zukunft als Automobilkonstrukteur verbot er dem Sohn weitere Fahrten im Rennwagen mit den Worten: “Rennfahrer habe ich viele, aber nur einen Sohn!” Ferry Porsche fügte sich und lebte seine sportlichen Ambitio- nen bei Rallyes mit einem Wanderer-Tourenwagen aus. Bei der 2.000 Kilometer-Fahrt durch Deutschland fuhr er in direkter Konkurrenz zu den damaligen Top-Fahrern Bernd Rosemeyer, Hans Stuck und Prinz zu Leinigen. “Im ersten Abschnitt der Rallye, der durch den Schwarz- wald führte, war meine Zeit sogar besser als die von Rosemeyer”, triumphierte Ferry Porsche noch viele Jahre später.



Ferry Porsche mit einem Porsche Typ 356 B Coupé

1934: Das Volkswagen-Projekt

Der legendäre 16-Zylinder-Rennwagen war nur der Auftakt zu einem weiteren Erfolg im Jahr 1934: dem Volkswagen. Am 17. Januar präsentierte Ferdinand Porsche ein “Exposé betreffend den Bau eines deutschen Volkswagens” in dem er sein Konzept für einen robusten und preis- günstigen Kompaktwagen vorstellte. Aber der Weg zum Entwicklungsauftrag war mühevoll, denn das kleine Konstruktionsbüro Porsche bewarb sich um einen Auftrag, den die etablier- ten deutschen Hersteller als potenzielle Konkurrenz ablehnten.

Auf politischen Druck schloss der Reichsverband der Automobilindustrie (RDA) am 22. Juli 1934 mit Porsche einen Vertrag über den Bau eines Volkswagen-Prototypens ab. Zwei Bedingungen machten diese Aufgabe besonders problematisch: Der anvisierte Kaufpreis von weniger als 1.000 Reichsmark und der Termin für die Fertigstellung des Prototyps in nur zehn Monaten. Ferry Porsche stufte später die Entwicklung des Auto Union Rennwagens im Vergleich zum Volkswagen als “Kinderspiel” ein.

Denn beim Volkswagen mussten die Ingenieure nicht nur konstruieren, sondern von Anfang an auch kalkulieren. Es galt einen Endpreis von 990 Mark einzuhalten, zu dem der Volkswagen verkauft werden sollte. So musste zum Beispiel auf eine hydraulische Bremse verzichtet werden, da Lizenzgebühren für den Patentinhaber Lockheed angefallen wären. “Das Weglassen war das Entscheidende. Wir sind ganz systematisch vorgegangen – der Rad- stand ergab sich aus dem Raum, den vier Erwachsene mit akzeptablem Platzangebot be- nötigten. Die Spurweite wurde so gewählt, dass der Wagen auch auf Feldwegen und durch schmale Dorfdurchfahrten kommen konnte.”

Die Zeit drängte, und auch die knappen finanziellen Mittel wirkten nicht projektfördernd, denn der Entwicklungsvorschuss von 20.000 Reichsmark monatlich erwies sich schnell als viel zu niedrig. Die Konstrukteure waren gezwungen, mit Bau und Montage der ersten Versuchs- wagen in der Garage der Porsche-Villa in Stuttgart zu beginnen. Platz war Mangelware, zumal der Maschinenpark das Raumangebot in Ferry Porsches Privatwerkstatt noch zusätzlich strapazierte. Zu Bohr- und Fräsmaschine kamen noch zwei Drehbänke und die zwölfköpfige Entwicklungsmannschaft. “Fragen Sie mich nicht, wie wir es machten”, erinnerte er sich, “aber die ersten drei Prototypen, VW Serie 3 genannt, wurden dort gebaut.” Die Entwicklung des Volkswagen dauerte unterdessen länger als geplant. Fast genau ein Jahr nach dem offiziellen Entwicklungsauftrag war der erste Volkswagen, der V1 (V = Versuchswagen), fahrfertig. Am 3. Juli 1935 stellte Ferdinand Porsche die Limousine einer Kommission des RDA vor. Der zweite Versuchswagen, ein Cabriolet mit dem Namen V2, trat am 22. Dezember zur Jung- fernfahrt an. Zwei Monate später, am 24. Februar 1936, feierten die beiden ersten Volkswagen offiziell Weltpremiere in Berlin.

Im Umfeld der hochkarätigen Porsche-Ingenieure hatte Ferry Porsche viel gelernt und sich vom Praktikanten zum anerkannten Junior-Chef entwickelt. Ferdinand Porsche förderte und forderte den Sohn, als er ihm 1935 die Leitung der Fahrerprobung des Volkswagens über- trug. Bis zum Herbst 1936 entstanden die ersten V3-Prototypen, mit denen eine systema- tische Fahrerprobung durchgeführt wurde. Als Versuchsleiter übernahm Ferry Porsche die Aufgabe, bis zum Jahresende 50.000 Kilometer Testfahrt zurückzulegen.

Im Endspurt auch mit Sonntagsschichten gelang es dem Versuchsteam, alle drei Autos bis zum 22. Dezember 1936 über die gewünschte Distanz zu bringen. Für Ferry Porsche war dieser erste Test nicht nur eine technische, sondern auch eine politische Aufgabe. Zwar war er Versuchsleiter des Hauses Porsche, aber der Reichsverband der Automobilindustrie hatte Mitarbeiter zur kriti- schen Überwachung der Versuche in das Team geschickt. Bald gab es unterschiedliche Auf- fassungen über die Testergebnisse. Doch am Ende fiel der einhundert Seiten starke Bericht des RDA positiv aus: “Das Fahrzeug hat Eigenschaften gezeigt, die eine Weiterentwicklung empfehlenswert erscheinen lassen.”

Entgegen der ersten Überlegung, den Volkswagen von den deutschen Automobilherstellern gemeinsam bauen zu lassen, fiel am 4. Juli 1936 die Entscheidung für den Bau des Volks- wagenwerks. Am 28. Mai 1937 formierte sich die “Gesellschaft zur Vorbereitung des Deutschen Volkswagens mbH”, kurz Gezuvor. Als einer der drei Geschäftsführer erhielt Ferdinand Porsche den offiziellen Auftrag für Technik und Planung der zukünftigen Produktionsstätte. Um sich einen Überblick über den Stand der Massen-Produktionsverfahren zu verschaffen, besuchten Ferdinand und Ferry Porsche im Juni 1937 die Vereinigten Staaten von Amerika. In Detroit studierten sie modernste Herstellungsverfahren und versuchten, Fachleute aus der amerika- nischen Industrie als Ratgeber zu gewinnen.

weiter (1938 - 1947)